Schnell wechseln die Landesherren

Nach den Revolutionskriegen ging die lange Zeit der weltlichen Herrschaft des Fürstbischofs von Münster zu Ende. Sie hatte über 550 Jahre gedauert, als 1803 die geistlichen Herrschaften säkularisiert, d. h. praktisch enteignet wurden. Kirchlich gehörte das Emsland bis 1667 zu Osnabrück und kam dann bis 1824 für 10.000 Taler an Münster, anschließend wieder an Osnabrück. Politisch kam das Amt Meppen an den Herzog von Arenberg. Aber schon 1810, als Napoleon dem Höhepunkt seiner Macht zustrebte, wurden unsere Vorfahren Franzosen, als das Emsland ein Teil des französischen Mutterlandes wurde. Allzu enthusiastisch feierte der Unterpräfekt Heyl in Meppen den "göttlichen Napoleon": "Sichtbar von der Vorsehung zum Weltenherrscher auserkoren, weihen wir dem einzigen alle unsere Geschäfte" (Diepenbrock, S. 591 und Geppert, S. 77). Es folgte als Besitzer nach 1815 der König von Hannover (Unter seiner Oberhoheit bleibt der Arenberger Herzog in Meppen), der nach 1866 dem preußischen König die Herrschaft abtreten musste. Dieser hatte zunächst wenig Anhänger in unserer Heimat, wie sich am Ausfall der Wahl zum preußischen Landtag deutlich zeigte: Im Wahlkreis Meppen-Lingen-Bentheim entfielen auf den vormaligen hannoverschen Justizminister Ludwig Windthorst 70 % aller Stimmen. Die Nationalliberalen hatten als Verfechter der Annexion keine Chance. Doch die Zeiten ändern sich und die politische Notwendigkeit geht oft eigene Wege. 80 Jahre später, im Jahre 1946, bedurfte es großer Mühe, damit das Land Hannover am 23.08.1946 neu geschaffen werden konnte. Drei Monate später ging es bereits im Land Niedersachsen auf.

Diese knapp 150 Jahre haben auch in den Gemeinden Fullen mancherlei Spuren hinterlassen. Um 1800 tut ein französischer Geistlicher, der als Emigrant das revolutionäre Frankreich verlassen hatte, seinen Dienst an der Kapelle in Groß Fullen. Gut 100 Jahre später kann die Kirchengemeinde ihren ersten Pfarrer begrüßen, den hochwürdigen Herrn Heinrich Stratmann, der 1908 die 1907 selbständig gewordene Pfarrei übernimmt. Damit hat sich Fullen aus der jahrhundertelangen kirchlichen Abhängigkeit von der Probsteigemeinde Meppen gelöst.

Noch 1850 wanderten wegen der ungünstigen wirtschaftlichen Lage viele Menschen aus dem Emsland aus, unter ihnen waren auch Fullener: Gertrud Block erhielt am 03.04.1858 einen Pass nach Ungarn zur Besichtigung und Auswanderung; Bernhard Heinrich Block löste am 04.05.1858 einen Pass für sich, seinen Sohn und seine Tochter beim Amt in Meppen, um ebenfalls nach Ungarn auszuwandern; Bernhard Ostermann beantragte Pass und Visum, auch um nach Ungarn zu gehen. Dort hatte es wegen innenpolitischer Schwierigkeiten Siedlungsmöglichkeiten gegeben, die sich allerdings aus der Ferne vorteilhafter ausnahmen, als sie es in Wirklichkeit waren.

Um einen wirtschaftlichen und verkehrsmäßigen Ausbau des Fullener Raumes kümmerte sich die Regierung erst kurz vor dem ersten Weltkrieg. 1912/13 begann der Ausbau der Straße nach Schöninghsdorf, der leider durch den Krieg gestoppt wurde. Die endgültige Fertigstellung erfolgte 1926. Auch eine Eisenbahn sollte es laut Kreistagsbeschluss aus dem Jahre 1913 von Meppen über Fullen und Schöninghsdorf nach den Niederlanden geben. Vermessungen und andere Vorarbeiten begannen noch im gleichen Jahre und selbst als auch hier der Krieg weitere Planungen verhindert hatte, kam man nach der Inflation im Jahre 1924 noch einmal auf das alte Projekt zurück. Die Holländer wollten sich finanziell großzügig beteiligen und die ersten Vorarbeiten waren bereits an die Firma Jürgen Brandt aus Rendsburg vergeben worden. "Ob aber die Bahn kommt?" So schließt trotzdem der Chronist der Schulchronik seinen Bericht. Obwohl auch in späteren Jahren eine solche Verkehrsverbindung hin und wieder im Gespräch gewesen ist, konnte der Plan, wohl in erster Linie aus finanziellen Gründen, nicht verwirklicht werden. Sicherlich haben auch private Schwierigkeiten der Verwirklichung im Wege gestanden.

Neben den Dürrejahren 1911 und 1920 war es vor allem der erste Weltkrieg, der auch in Fullen manche Not brachte. Schon in den ersten drei Tagen mussten sich folgende Männer zum Kriegsdienst melden:

- Heinrich Eilers
- Josef Kühling
- H. Hüser (Briefbote)
- Heinrich Otten
- Heinrich Tappel
- Gerhard Heumann
- Hermann Heinrich Keuter
- Gebrüder Hermann und Heinrich Brüning
- Kötting, Tuntel
- H. Schnieders, Tuntel
- Hagengers und H. Bolmer zum Landsturm.

Das 1919 erbaute Kriegerehrenmal erinnert an 32 Gefallene aus dem 1. Weltkrieg.

Immer wieder wurden Sammlungen veranstaltet: Für die 4. und 5. Kriegsanleihe brachten die Schulkinder 9.000 Mark zusammen. Ebenfalls für die Kriegswaisen (an Kaisers Geburtstag am 27.01.1917) und die Kriegsinvaliden (Ludendorffsammlung 1917) wurden namhafte Beträge gespendet.

Auch sonst brachte der Krieg Bitteres mit sich: Durch eine Grippewelle starben im Herbst 1918 viele Menschen, so dass am 14.10.1918 in der damals gut 400 Einwohner zählenden Gemeinde sieben Leichen über der Erde standen, davon vier Kinder.

Die Nachkriegszeit brachte neue Belastungen, die wegen der Inflation besonders hart empfunden wurden. Die Währungskrise selbst wird in der Schulchronik mit folgenden Worten gekennzeichnet: "Durch den Sturz der Mark im Frühjahr (1 Gulden = 120 Mark) sind die Preise in der Lebenshaltung so emporgeschnellt, dass die Kaufkraft der Mark auf einen Pfennig gesunken ist." Einige Beispiele erläutern diese Aussage: Ein Anzug kostete 4.000 - 5.000 Mark, ein Zentner Kartoffeln 250 Mark, ein Ei 4,50 Mark, ein Pfund Mehl 14 Mark, ein Pfund Kaffee 110 Mark. Trotzdem gab es immer wieder viel Verständnis für die Notleiden-den: Für die im Ruhrkampf Betroffenen wurden 1923 40.000 Mark gesammelt und für das Krankenhaus in Meppen 20.000 Mark, außerdem viele Lebensmittel. Diese Zahlen müssen schon vor dem Hintergrund der Inflation gesehen werden.

Neben der Eröffnung der Straße nach Schöninghsdorf im Jahre 1926 war der Weihnachtstag 1927 von besonderer Bedeutung, als Fullen zum ersten Mal in elektrischem Licht erstrahlte. Jahrelange Verhandlungen waren geführt und oftmals verzögert worden. Noch in letzter Minute war der Anschluss gefährdet, als bekannt wurde, dass die Kosten für die Einwohner unterschiedlich hoch waren. Die Bewohner der Heide mussten z. B. mehr zahlen.


Aus den Emsland-Veröffentlichungen von Eugen Kotte.

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