Die Fullener Mark

Name und Entwicklung Fullens zeigen, dass beide Gemeinden bis in die Gegenwart hinein eindeutig landwirtschaftlich orientiert sind. Kein Wunder, wenn das Leben in unserem Dorf schon in früher Zeit von der Markenordnung mitgestaltet wurde. Die Markenordnung ist die Zusammenfassung der ungeschriebenen Gewohnheitsrechte innerhalb der Mark, d. h. für den Grundbesitz, der den Markgenossen gemeinsam gehörte. In der Fullener Mark (eine Trennung und klare Grenzziehung zwischen Klein und Groß Fullen gab es nicht) muss man verschiedene Teile unterscheiden: Es gab eine (Außen) Mark, zwei Binnenmarken (in Klein und Groß Fullen), sowie eine Klein und Groß Fullener Gemeindemark, insgesamt eine Fläche von etwa 4.000 Morgen, die einen geschätzten Gesamtwert von ca. 90.000 Talern hatten (Schätzung aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts). Die Grenzen zum Moor, zum Tuntel, nach Versen und Rühle waren gekennzeichnet durch Erd- und Moorhügel, durch Pfähle oder kleine Gräben und Wälle. Neben dem durch die Mark erfassten Gemeindeeigentum der Markgenossen gab es natürlich den bäuerlichen Privatbesitz.

Die wichtigste Institution in der Fullener Mark war der Markenrichter, später der Herzog von Arenberg, der seine Rechte in der Regel durch Rentmeister wahrnehmen ließ, ohne deren Zustimmung keine Entscheidung in der Mark gefällt werden konnte. Die Versammlung aller an der Mark Beteiligter, also aller Markgenossen, das Ding, trat periodisch zusammen und konnte mit Zustimmung des Markenrichters Beschlüsse fassen, die dann durch die Markhelfer, die die Markgenossen stellten und die bestimmte, zumeist genau festgelegte Rechte hatten, durchgesetzt und beaufsichtigt wurden. Auch die Rechte jedes einzelnen Markgenossen waren genau festgelegt. Benutzt werden durfte die Mark nur für den Eigenbedarf. Die Förderung der Einzelwirtschaft durch genossenschaftliche Nutzung ist also der Grundgedanke dieser alten bäuerlichen Organisationsform, die durchaus als eine Art Selbstverwaltungskörperschaft bezeichnet werden darf, obwohl von einer demokratischen Organisation wegen der starken Stellung des Markenrichters nicht gesprochen werden sollte.

Wirtschaftliche Notlage, Kriegszeiten, Kontributionen, aber auch Raubbau und Eigennutz ließen den Wert der Mark immer mehr abnehmen. Hinzu kamen eine liberalistische, dem Gemeineigentum wenig freundliche Politik, ein starkes Anwachsen der Bevölkerung und eine zunehmende Industrialisierung, die eine rationellere Landwirtschaft (1812 erschien ein Buch von Albrecht Thaer mit dem Titel "Grundsätze der rationellen Landwirtschaft) nötig machten. Entwässerungsmaßnahmen, Flurbereinigungen und Züchtungen wurden genauso nötig wie eine bessere Bodenbearbeitung, die durch die neuen Maschinen möglich wurde. Nicht zuletzt trug auch die künstliche Düngung (Justus Liebig gilt als Erfinder der künstl. Düngemittel) dazu bei, dass die alten, traditionellen Methoden der Landwirtschaft mehr und mehr als überholt angesehen wurden. Nicht mehr das gemeinsame, genossenschaftlich orientierte Interesse, sondern der wirtschaftliche Egoismus wird auch im landwirtschaftlichen Bereich gefordert. Dass dabei die alten Marken fallen mussten, ist verständlich.

Bereits der als fortschrittlich geltende Landesherr des Amtes Meppen, der Bischof Maximilian Friedrich von Münster, hatte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Auflösung der Marken gefordert, "da nachweislich die Ausnutzung der Marken weit hinter deren Wert und möglichem Ertrage zurückbleibe, hingegen deren Aufteilung und der Verkauf oder die Verpachtung der Markengrundstücke dienen könne zur Vermehrung der Bevölkerung, zur Kultur der Ländereien, zur Tilgung der Kriegsschulden." (zitiert bei Geppert, Meppen, Abriss einer Stadtgeschichte S. 116) In Fullen beantragte man eine Teilung im Jahre 1862. Jeder Markengenosse erhielt entsprechend seinen Markenrechten einen Teil als Eigentum. Dabei wurde die Beschaffenheit des Bodens geschätzt, so dass er nach Wert klassifiziert werden konnte. Die "Königliche General-Kommission" aus Hannover übernahm das nicht immer leichte Werk. In Groß Fullen wurden insgesamt 34 Betriebe erfasst und je nach Flächengröße und steuerlicher Belastung eingestuft: die Erbesberechtigung mit der Schaftrifts- und Heuermannsberechtigung sah in Groß Fullen so aus: Groß Fullen hatte insgesamt eine Berechtigung von vierzehn 69/70 Erben, Klein Fullen von fünfzehn 14/15 Erben. In Klein Fullen ergaben sich 8 Vollerben und noch 8 weitere Erben von 5/16 bis 1/3.

Berechtigungen
Ahlers Haus-Nr. 2 Vollerbe 1 Schaftrift 2 Heuermannsberechtigung
Benner Haus-Nr. 5 Vollerbe 1 Schaftrift 2 Heuermannsberechtigung
Stubben 1) Haus-Nr. 6 Vollerbe 1 Schaftrift 2 Heuermannsberechtigung
Kühling 2) Haus-Nr. 7 Vollerbe 1 Schaftrift 2 Heuermannsberechtigung
Beckmann Haus-Nr. 19 Vollerbe 1 Schaftrift 2 Heuermannsberechtigung
Hüser 3) Haus-Nr. 21 Vollerbe 1 Schaftrift 2 Heuermannsberechtigung
Boven 4) Haus-Nr. 28 3/4 Erbe Schaftrift 2 Heuermannsberechtigung
Hagener 5) Haus-Nr. 28 3/4 Erbe Schaftrift 1 Heuermannsberechtigung
Möller Haus-Nr. 29 8/7 Erbe Schaftrift 3 Heuermannsberechtigung


1) Der Hof lag auf dem jetzt freien Grundstück zwischen Fühner und den Hof Benner, also auf dem alten Schulplatz.
2) Der Hof Kühling, heute Schulte, besteht seit 1959 im Feld. Das alte Haus wurde an die Familie Hemme verkauft.
3) Heute Schulte-Ewers.
4) Früher gegenüber Schulte-Ahlers gelegen.
5) Heute Schütte.

Als 1/2 Erben werden genannt die Höfe Wessling, Brüning, als 1/4 Erben Eilers, Pelster, Gertkens (Nr. 37), Bolmer, Heumann, Röttker. Die Höfe Gebken und Borgmann (Nr. 20) sind größer (9/14 und 11/28), alle anderen kleiner als die Viertelerben: Otten (Timpe), H. B. Ahlers (heute Versener Lager), Hagengerds, Röttker, Moss, Schmitz, Bolmer, Block, Hummeldorf, B. H. Ahlers, Bruns, Lohe, Brümmer, Jansen. Außerdem mussten abgefunden werden die Schulgemeinde, sowie die Kolonisten Bruns, Otten Franz, Schnieders, Koers und einige in Neu Versen. Auch die politische Gemeinde erhielt ihren Anteil.

Schwierigkeiten bereitete zunächst die Abfindung des Markenrichters, der sich aber schließlich bereit erklärte, für gut 4 ha besten Angerlandes der Klasse 1 a auf seine Rechte zu verzichten. Nur sehr wenige Teile (einige Sand- und Lehmgruben) blieben gemeinsamer Besitz und sollten Zwecken der Allgemeinheit dienen.

Die Markenteilung wurde am 29. Dezember 1871 abgeschlossen und von der königlichen Behörde am 8.4.1872 bestätigt. Auf einer öffentlichen Sitzung im Gasthaus Gebken wurde der Teilungsrezess verlesen und bis auf vier Erbberechtigte von allen unterschrieben (die Bauern Bruns (Klein Fullen), sowie Pelster, Lohe und Brümmer (Groß Fullen) leisteten nicht die Unterschrift). Ein Stück alter bäuerlicher Organisation war zu Ende, um neuen Möglichkeiten Raum zu geben. Sicherlich haben diese Umwälzungen vor 100 Jahren nicht weniger revolutionär gewirkt als andere Veränderungen, die in unseren Tagen nicht nur sinnvoll erscheinen, sondern auch notwendig sind.


Aus den Emsland-Veröffentlichungen von Eugen Kotte.

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