Ein Dorf im Umbruch

Seit dem 2. Weltkrieg, besonders seit 1951, ist in zunehmendem Maße eine Umstrukturierung der Gemeinde Groß Fullen festzustellen, die sich auf den verschiedensten Gebieten heute bereits nachhaltig zeigt.

Durch die Bevölkerungszunahme (im Emsland durchschnittlich 20 %) und die damit verbundene Zunahme der Bevölkerungsdichte wurde der Wohnbedarf größer und die Notwendigkeit dringlich, für Neubauten von seiten der Gemeinde Bebauungsgelände zur Verfügung zu stellen. Das ist besonders in den letzten Jahren geschehen, so dass nördlich und südlich der Straße nach Schöninghsdorf zwei Wohngebiete mit ansprechenden Neubauten entstanden sind. So konnten seit 1948 75 Wohnungen, d. h. 52 % des Gesamtbestandes, gebaut werden. Für weitere Hausplätze ist das Gelände bereits in Aussicht genommen bzw. schon benannt worden. Mit dieser Bereitstellung von Wohnraum verlief die Wanderungsbilanz seit 1961 für das Dorf positiver. Ein Absinken in den Jahren 1964 und 1966 ist wohl wesentlich durch Aussiedlungen in andere Gemeindebezirke bedingt.

Nimmt man hinzu, dass sowohl der Altersaufbau ein Ansteigen in den Altersgruppen bis zum 15. Lebensjahr zeigt und die absolute Zahl der im Dorf tätigen Erwerbspersonen, sowie die Zahl der Auspendler gestiegen ist, so kann man die von der Niedersächsischen Landstelle als Prognose bis zum Jahre 1975 aufgestellte Entwicklung verstehen, die Groß Fullen die Chance gibt, 1000 - 1100 Einwohner zu haben. Dafür werden noch ca. 100 Wohnungen nötig sein, die als Bebauungsplan "Moorkamp" am Südwestrand des Dorfes bereits genehmigt sind. Erweiterungsmöglichkeiten nach Osten und Norden sind vorhanden. Hier wird sichtbar, dass sich der Charakter des Dorfes noch mehr als bislang ändern wird: Aus einem nahezu ausschließlich aus landwirtschaftlichen Betrieben bestehenden Dorf wird mehr als bislang ein Wohndorf werden.

Dazu passen die in der Landwirtschaft eindeutig zu verfolgenden Tendenzen. Zwar hat sich seit 1950 die Zahl der in der Landwirtschaft Tätigen von 66 % auf 50 % verringert, doch ist Groß Fullen nach wie vor eine bäuerlich orientierte Gemeinde. Die Maßnahmen zur Erschließung und Kultivierung des Emslandes (Der Träger, die Emsland-GmbH, ist ein Gemeinschaftswerk zur Erschließung des Emslandes, an dem Bund, Land und die Emslandkreise beteiligt sind), der sogenannte Emslandplan, begann 1951 mit der Billigung der "Emslanderschließung" durch den deutschen Bundestag und wurden ergänzt durch das 1960 einsetzende Flurbereinigungs- oder Verkopplungsverfahren, das 1961 im Gasthof Gebken (einen Tag nach dem Schützenfest) von den Fullener Bauern beschlossen wurde. Damit zusammenhängende Maßnahmen hatten nicht nur entscheidenden Einfluss auf das Dorf- und Landschaftsbild, sondern brachten auch andere Veränderungen, die noch längst nicht abgeschlossen sind. An einigen Beispielen mag das für Groß Fullen erläutert werden:

Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe hat sich von 69 auf 84 erhöht. Dabei haben die Betriebe über 10 ha stark zugenommen (von 29 auf 55), die unter 10 ha stark abgenommen (von 40 auf 29). Mit der Zunahme der landwirtschaftlichen Nutzfläche von 742 auf 1.200 ha war eine Erhöhung des Viehbestandes verbunden: Rindvieh von 638 auf 825 Stück, Schweine von 800 auf 2.219 Stück.

Die Zahl der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte dagegen verringerte sich im gleichen Zeitraum um 77, von 249 auf 172. Die zunehmende Mechanisierung wird am Beispiel der Trecker besonders deutlich: In Groß Fullen laufen 68 Trecker. Entsprechend ist der Pferdebestand von 117 auf 11 heruntergegangen.

In der Teilnehmergemeinschaft Fullen - Versen sind von 3.500 ha Moorfläche bisher etwa 1.300 ha neu kultiviert worden. 1961/62 konnten die ersten Aussiedlungen vorgenommen werden: Bauer Heinrich Eilers (25 ha), Bauer Josef Schulte, früher Kühling (35 ha), Bauer Bernhard Beckmann (42 ha). Bis heute sind 9 Betriebe aus dem Dorfkern in Groß Fullen ausgesiedelt worden, weitere sollen folgen. Auf den kultivierten Hochmoorflächen wurden seit 1950 15 neue Vollbauernstellen und drei Nebenerwerbsstellen geschaffen. Das Ortsstraßennetz wuchs auf annähernd 25 km an.

Das alles sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Landwirtschaft auch für die Zukunft berechtigte Sorgen hat, die in einigen Schlagworten nur anklingen mögen: Absatzmärkte bei steigenden Kosten und oftmals fallenden Erzeugerpreisen; Ansiedlung von Kleinindustrie zumindest in erreichbarer Nähe und damit Beschaffung neuer Arbeitsplätze; weitere innerbetriebliche Spezialisierung mit allen Vor- und Nacheilen; Überdenken überkommener Organisations-, Gemeinschafts- und Lebensformen. Was die Bauern daraus machen, liegt zum größten Teil an ihnen selbst.

In summa

Groß Fullen hat sich im Laufe seiner Geschichte langsam, aber stetig aus der engen politischen und kirchlichen Verflechtung mit Meppen gelöst. Es entstand eine eigene kleine Gemeinde, zunächst als Bauernschaft, dann als Dorf, zunächst als Kapellengemeinde, dann als Pfarrei. Dennoch blieben wirtschaftliche und auch kulturelle Bindungen zum Hauptort des Amtes und des späteren Kreises bestehen, die sich in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg sicher zunehmend verstärkt haben. So darf man heute vermuten, dass die Gemeinde Groß Fullen (auch als Teil einer Samtgemeinde) bei aller Eigenständigkeit gerade in der Landwirtschaft doch mehr und mehr als Wohngemeinde für den starken zentralen Ort Meppen sich entwickeln wird. Der Verselbständigung scheint also eine neue, wenn auch andersartige Einordnung zu folgen.


Aus den Emsland-Veröffentlichungen von Eugen Kotte.

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