Die Abpfarrung von Meppen

Documentum Erectionis parochiä Fullen (Urkunde über die Errichtung der Pfarrei Fullen), so überschreibt das "Kirchliche Amtsblatt für die Diözese Osnabrück und die Nordischen Missionen Deutschlands" am 12. November 1907 seine erste Spalte und veröffentlicht damit offiziell die Abpfarrung der alten Kapellengemeinde Fullen von der Propsteikirche in Meppen.

Schon Primissar (ein Primissar ist ein Geistlicher, der die prima missa, die erste Messe, hält. Dieses Recht hatte die Kapellengemeinde seit 1803) Köter hatte 1893 in seinem Testament 1.000 Taler für den Fall zur Verfügung gestellt, dass Fullen zur Pfarrei erhoben würde. Aber erst in den Jahren nach 1900 wurde sein Wunsch ernsthafter ins Gespräch gebracht. In diesem Zusammenhang sind auch die Genehmigungen für einen eigenen Friedhof zu sehen, der 1905 durch Ankauf von Parzellen der Bauern Gerhard Heinrich Gebken, Hermann Heinrich Hagener-Wurz, Anton Kühling und aus Teilstücken der politischen Gemeinde entstehen konnte. Der damalige Gemeindegeistliche, Primissar Stratmann, hatte die Notwendigkeit eines eigenen Friedhofs offensichtlich für das Generalvikariat überzeugend begründet: Er führte den (je nach Wohnlage) 5 bis 12 Kilometer langen Weg zum Pfarrfriedhof nach Meppen an, er stellte besonders den Wunsch der Gemeinde dar, die Toten in ihrer Mitte zu haben, aber er wies auch hin auf "Exzesse an Unmäßigkeit, die sich bei jedem Begräbnisse in der Stadt ereignen." So entstand der 1955 vergrößerte Friedhof (Für den alten Friedhof wird besonders der doppelte Zugang herausgestellt: durch den Weg zwischen Pastorat und Pelster (mehr für Groß Fullen gedacht) und durch den Klein Fullener Kirchweg, der zwischen Friedhofsmauer und dem Grundstück Pelster entlang lief und (leider) nicht mehr vorhanden ist. Die Vergrößerung des Friedhofes wurde 1955 möglich, weil der Bauer Kühling-Wessels kostenlos ein Grundstück zur Verfügung gestellt hatte. Eine Vergrößerung war bereits 1944 wegen der Inanspruchnahme des Friedhofs durch "Wehrmachtslager" (wie es damals hieß) im Gespräch) als wichtiges Zeichen einer größeren Unabhängigkeit der Fullener Kirche von der Propsteigemeinde. Der offizielle Antrag der Kapellengemeinde auf Abpfarrung erfolgte im Jahre 1906. Noch im gleichen Jahr gingen die Genehmigungen ein: vom Kirchenvorstand der Propstei in Meppen, von Propst Brink persönlich, von den Gemeindevertretungen der Stadt Meppen und der Gemeinde Groß Fullen, vom Kapellenvorstand (hierzug gehörten damals neben dem Ortsgeistlichen Stratmann die Bauern Josef Schulte, Josef Brand, Heribert Koiter, Hermann Möller, Hermann Beckmann und Anton Kühling).

In all diesen Schreiben geht es um die finanzielle und wirtschaftliche Absicherung der neuen Pfarrei und um Absprachen mit der Mutterpfarre in Meppen. Am 16.08.1907 fasst das Generalvikariat in Osnabrück alle Aussagen zusammen: "Die Fullener müssen 14.200 Mark in bar an die Propstei zahlen, welcher Betrag seitens der Pfarrgemeinde Meppen zur Abtragung der noch vorhandenen Turmbauschulden zu verwenden ist". Die neue Pfarrei hat keinerlei Ansprüche auf das Vermögen der Propsteigemeinde, aber sie hat auch keinerlei Verpflichtungen mehr. In dem genannten Schreiben heißt es: "Sie (die Pfarrei Fullen) ist aber auch nicht mehr verpflichtet, zu den Bedürfnissen der Mutterpfarre beizutragen; selbstverständlich werden jedoch dingliche, auf Grund und Boden bestehende Rechte, welche der Pfarrkirche, den geistlichen Stellen sowie der Küsterei zu Meppen gegenüber einzelnen Eingesessenen der Gemeinde Fullen zustehen, durch die Abpfarrung nicht aufgehoben. Die sogenannten "dinglichen Verpflichtungen" sind in der Folgezeit Grund für manche Missverständnisse zwischen der Propstei in Meppen und einigen Fullenern.

Auch über das Gehalt des Pfarrers gibt das schon zitierte Schreiben Auskunft. Grundsätzlich gilt das "Gesetz über das Diensteinkommen der katholischen Pfarrer vom 2. Juli 1898". Die Gemeinde ist aber verpflichtet, einen Teil der Kosten zu tragen: "Der durch die Erträge des Stellenvermögens oder durch anderweitige kirchliche Einnahmen des Stelleninhabers nicht gedeckte Betrag ist seitens der Pfarrgemeinde im Wege der Umlage oder anderweitig aufzubringen."

Diese Abmachungen werden von der "Abteilung für Kirche und Schulwesen" bei der königlich preußischen Regierung "von Staats wegen bestätigt und in Vollzug gesetzt".

Damit ist der eigentliche juristische Akt vorbereitet: Die bischöfliche Urkunde kann erlassen werden.

"In vico Fullen, iam ab antiquis temporibus in honorem S. Georgii erecta erat capella." (Im Dorf Fullen war schon in alter Zeit eine Kapelle zu Ehren des heiligen Georg erbaut.) So beginnt die von Bischof Hubertus von Osnabrück am 23. Oktober 1907 ausgestellte Urkunde, deren Übersetzung hier folgt:

In dem Dorfe Fullen war schon in alter Zeit eine Kapelle zu Ehren des heiligen Georg erbaut, die von einem Geistlichen der Pfarrkirche Meppen bedient wurde. Nachdem aber diese alte Kapelle zu Beginn des vorigen Jahrhunderts durch Feuer zerstört war, ist daselbst eine Kirche zu Ehren des heiligen Vincenz erbaut worden. An ihr wurde, obgleich sie eine Filiale der Pfarrkirche zu Meppen war, doch ein eigener Geistlicher als Seelsorger vom Bischofe angestellt. Da die Zahl der Einwohner Fullens so sehr zugenommen hat und von ihnen in freigebiger Weise für alles das gesorgt ist, was von Rechts wegen zur Errichtung einer selbständigen Pfarrei erfordert wird, so haben wir nunmehr beschlossen, zur Ehre des allmächtigen Gottes und zur Stärkung des christlichen Glaubens jene Filialkirche zur Würde einer Pfarrkirche zu erheben.

Durch unsere eigene und durch die von der heiligen Synode zu Trient uns verliehene Vollmacht, nach Anhörung aller von Rechts wegen Beteiligten, sowie mit Zustimmung unseres hochwürdigen Domkapitels, trennen und scheiden wir demnach durch diese Urkunde die Kirche zu Fullen mit allen Gläubigen des Bezirks, wie dieser in dem dieser Urkunde beigefügten von uns am 16. August 1907 erlassenen und von der Königlichen Regierung unter dem 19. Oktober 1907 bestätigten Schreiben näher bestimmt ist, von der Pfarre Meppen und errichten und bestimmen sie zu einer selbständigen, dem heiligen Vincenz geweihten Pfarre.

Wir wollen auch, dass der Geistliche, dem wir das Pfarramt in dieser neuen Pfarre übertragen werden, die Rechte und Pflichten eines Pfarrers habe; zugleich vertrauen Wir in Gott, dass die Gläubigen Fullens ihre nunmehrige Pfarrkirche fleißig besuchen, dem Gottesdienste mit Andacht beiwohnen, in erbaulicher Weise die heiligen Sakramente empfangen, die Feste unseres Herrn Jesu Christi der seligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria, des heiligen Vincenz und anderer Heiligen mit gebührender Festlichkeit begehen, das Wort Gottes mit Seeleneifer hören und ihre Knaben und Mädchen fleißig zur Schule und Christenlehre schicken. Den Bestimmungen bezüglich des Einkommens der neuen Pfarre, wie sie in dem dieser Urkunde beigefügten Schreiben näher festgesetzt worden sind, erteilen wir hiermit unsere Genehmigung. Gegeben zu Osnabrück am 23. October im Jahre des Heiles 1907 unter unserer Unterschrift und Beifügung unseres Insiegels.

gez. Hubertus
gez. Beckschäfer, Sekr.

Damit stand der offiziellen Abpfarrung zum 1. November 1907 nichts mehr im Wege.

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