Kulturkampf in Klein Fullen

Zu Beginn der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts ging es in den Auseinandersetzungen zwischen dem damaligen Reichskanzler Otto von Bismarck und der katholischen Kirche in Deutschland auch um das Zurückdrängen des kirchlichen Einflusses in den Schulen, die ursprünglich alle von der Kirche gegründet und auch unterhalten worden waren. Dokumente aus dieser Zeit (z.B. der Brief des Katholischen Konsistoriums vom 29.09.1875, Privatarchiv Steffens Klein Fullen) zeigen einen deutlich autoritäreren Ton der staatlichen Behörden, die mit ihren Anordnungen in die Schule hineinregieren wollten. In diesem Zusammenhang ist die 1871 erfolgte Auflösung der katholischen Abteilung im preußischen Kulturministerium genauso zu sehen, wie das Gesetz vom 11. März 1872, das den Geistlichen die Kreisschulaufsicht entzieht, die fortan von staatlichen Beamten, den Schulräten, wahrgenommen wer-den soll. Einiges davon spiegelt sich auch in Klein Fullen wieder, wie unlängst aufgefundene Briefe (Briefe des Gymnasialdirektors Dr. Hune an die Nebenschule in Klein Fullen, Privatarchiv Steffens Klein Fullen) zeigen.

Mit dem Datum vom 30.11.1875 erhielt Johann Heinrich Steffens, damals bereits 42 Jahre Lehrer in Klein Fullen, einen Brief des Leiters des Meppener Gymnasiums, Dr. Hune. Seine Überraschung war groß, als er daraus entnahm, dass nicht der Vizekurator der Propstei, der Adjunkt Rehme, für den Propst, dessen Stelle nicht besetzt war, die Vertretung in Schulangelegenheiten übernommen hatte, sondern eben der Leiter des Gymnasiums, Dr. Hune. Nur für den Religionsunterricht sollte Adjunkt Rehme zuständig bleiben dürfen (Brief Dr. Hune an den Lehrer Steffens in Klein Fullen, 30.11.1875, Privatarchiv Steffens Klein Fullen).

Ein paar Monate später verfügte der neue Ortsschulinspektor Dr. Hune, dass die Klein Fullener Kommunionkinder am gesamten Schulunterricht teilnehmen müssten, "soweit die örtliche Entfernung und sonstige Verhältnisse es eben gestatten." (Brief Dr. Hune an Lehrer Steffens in Klein Fullen vom 27.03.1876, Privatarchiv Steffens Klein Fullen) Das war neu, denn bisher hatte der Kommunionunterricht natürlich während der Schulzeit stattgefunden, entsprechend dem Anliegen, Familie und Schule und Kirche um der Kinder willen aufeinander zu beziehen. Jetzt wurde gerade das untersagt, obwohl Ausnahmen vorgesehen waren. Aber die Genehmigung dafür musste wöchentlich erneuert werden und konnte täglich zurückgenommen werden und eine Nachsicht bezüglich der Schulleistungen muss auf die letzten 8 Tage vor der Kommunionfeier beschränkt bleiben." Die bisherige Regel wird also durch das Eingreifen des Staates zur Ausnahme.

Natürlich wird man heute sagen: Das sind doch nur Nickeleien; natürlich wird man fragen: Ist das so wichtig gewesen? Haben wir da nicht schon ganz andere Beeinträchtigungen kirchlicher Rechte hinnehmen müssen? Solche Fragen gehen am Eigentlichen derartiger Auseinandersetzungen vorbei. Der Staat wollte damals die Möglichkeiten der Kirche einschränken und sich selbst eine Kontrolle über kirchliche Entscheidungen anmaßen. Es ging um die Frage: Wer hat in den Schulen zu bestimmen, der Staat, der ein staatliches Monopol errichten wollte, oder die Kirche, die das historische Recht auf ihrer Seite hatte. Dafür sind auch die Ereignisse an der Nebenschule in Klein Fullen ein Beispiel.

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