Bauernhochzeit

Schatten (Schießen)

Ein Freiersmann, der ein Mädchen in dessen Elternhaus besuchte, wurde laufend beobachtet. Kam man dahinter, dass der Bursche zum Abendessen noch bei der Angebeteten war, wurde das Haus von der Dorfjugend eingekreist und es wurde mit Jagdgewehren geschossen. Entweder wurde der Freier vertrieben, oder er musste offen seine Absicht bekennen. Stelle sich der junge Mann, so hatte er eine Ablösung für einen deftigen Umtrunk zu zahlen. Er erhielt dafür einen "Jagdschein", mit dem er im fremden Revier auf die "Pirsch" gehen durfte. Für die Zukunft gehörte er zur Dorfgemeinschaft.

Hochzeitsbitter

Sobald das kirchliche Aufgebot bestellt war, bereitete sich der "Hochtiedsnöger" auf seine Aufgabe vor. Mit dieser Ehre wurde ein Bruder oder ein Nachbar betraut. Er wurde festlich ausgestattet. Sein Fahrrad und Hut wurden mit bunten Papiergierlanden geschmückt. Auch der Stock des "Nögers" war mit roten Rosen und bunten Bändern geschmückt. Die rote Farbe verfügte aus alter Überlieferung über abwehrende Kraft.

Mit einer mit bunten Bändern gezierten Flasche wanderte er los, um alle aufzusuchen, deren Namen er auf einem Zettel hatte. Auf dem weiten Weg stärkte er sich hin und wieder durch ein "Gläschen". Er wurde überall mit Fröhlichkeit begrüßt. Wo er seine Einladung anzubringen hatte, sagte er einen Spruch auf. Dann wurde er gut bewirtet, die Flasche neu gefüllt und sein Stock mit einem weiteren bunten Band geschmückt. Abends berichtete er im Hochzeitshaus vom Ergebnis seiner Fahrt. Es dauerte viele Tage, bis alle Gäste geladen waren.

Spruch von dem Hochtiedsnöger:

Hier sett ick mienen Stock un Stab, dorup lägg ick denn Hout,
denn alle Junggesellen häbbet immer frohen Mout.
Mouder wahret jouen Hund und bind't denn Hanen an,
dat häi mie nich bieten kann.
Stellt de Stöile an de Wand
und gäwet mie äin Gläsken Branntwin in de Hand.
Aber äint will ick ju säggen, ieh möt nich touväl lachen,
wenn ick miene Sake nich gout söll maken.

Güstern oabend wör ick an't studären,
dor wör'n däi Wichter ant faxären.
Dor löit ick dat studären sein
und göng in usen Goarn hin.
So häb ick däi ganze Nacht dann säten
und häb dat studären ganz vergäten.
Doch hüte morgen könn ick alles got
und tröck dann loß mit frischken Mut.
So bünn ick nu koamen bis hierher,
här ick äin Perd hat, dann wör ick hier noch ähr.

Froiher här ick ain wittet Perd,
dat was mehr aß dusend Dahler wert.
Dormit bünn ick trabend dör't Land bis Trier,
dor wör'n de Äwichter noch moijer aß hier.
Dann köim ick ouk noch bis noah Hessen,
dor häbt se groute Schöddeln, man min tou essen.
Bitter Bier häbt se und suren Wien,
dor söll de deibel in Hessen sein.
Dann köim ick ouk noch bis noah Sachsen,
wor de Wichter up de Böhme wassen,
här ick dor doch bloß an dacht,
här ick för ju äin mitgebracht.

Man här ick dat domoals so dohn,
dann här ick dor välicht verlägen mit stoahn.
Däi Brüdigam köim noah Fullen henn,
dor häff häi dat moijeste Wichtken säihn.
Dat wör äin Wichtken flott und heller,
ät könn sück wall draihen up'n Teller.
Wenn nich up'n Teller,
dann wisse up Vielers är'n Keller.

Dat is äin Wichtken noah sienen Sinn,
an'n Diensdag föhrt häi se toun Altoare hin.
Ick bün nich den Brüdigam, ick bün sein Broar,
watt ick hier sägge, dat iß woahr.
Ick schall ju gäwen tou verstoahn,
dat ieh möt noah de Hochtied goahn.
Ick nöige hier nich Katt un Mus,
sondern twäi Personen ut jeden Hus.

Hochtied hollen iß nich übel,
so staiht et all in de Bibel.
Aß man in Kanaan Hochtied höll,
usen Herren und Heiland dat ouk geföll.
In Kanaan mangelde et an Wien,
bir uß söll däi in Öwerfluss sein.
Dusend Liter Bär un Wien,
dor könn ieh bie uß wall lustig sein.
Twintig Öhmde vull mit Stuten,
däi bünt van binnen noch schwatter äß buten.
Därtig fette Ossen und Hennen,
däi köhnt sück för Fettigkeit nich an denn Wiemen klemmen.
Und fiefundtwintig dicke Schinken vär dicke Köcke
mit säben lange schmärige Röcke.
Und däi Musikkapelle mit fiefundtwintig Hörn,
däi bloasn van achtern noch bäter aß von vörn.

Nu toun Schluss ick ju alle säggen mag,
bis tou'n Diensdag up denn Hochtiedsdag,
bie Vielers up'n Hoff dor söll et klingen,
dor will wie äten, dazen un springen.
Däi Pannen upt Hus, däi söllt rappeln,
Pötte und Pannen, däi söllt klappen.

Haus- oder Kröchenhochzeit

Nach der Reise des "Hochtiedsnöigers" begann die Vorbereitung der Hochzeit. Die Verwandten der Braut brachten Geschenke. Bei dieser Gelegenheit zeigt die Braut ihre Aussteuer, die aus ganzen Rollen Leinen, Wäsche für die Betten und den persönlichen Gebrauch bestand, alles fein säuberlich mit roten Bändern verschnürt und in Stapeln auf einen langen Tisch zur Schau gestellt. Die "Kaste", Kleiderschrank, war gut gefüllt. In der eichenen Truhe barg man das selbstgewebte Leinen.

Zur Aussteuer gehörten auch zwei vollständige Betten, Stühle, Sessel und Spiegel. Das Spinnrad, "Wehl" genannt, nahm einen Ehrenplatz ein. Die Aussteuer richtete sich nach den Vermögensverhältnissen der Familie, aus der die Braut stammte. Der folgenden Kaffeetafel mit selbstgebackenem Weißbrot, Kuchen und Sahne schloss sich ein Umtrunk mit feinen Getränken an.

Kistenwagen

Die Nachbarn der Braut hatten einen großen Leiterwagen mit zwei Pferden bespannt. Darauf war die Aussteuer der Braut gut verstaut. Zuoberst auf den Kisten und Kasten waren die neuen Kissen und Betten festgebunden. Aus dem gesamten Aussteuergut ragte hinten ein riesiger, mit Bändern und Papierblumen geschmückter Reisigbesen, ferner ein roter Haarbesen und eine Harke.

Unterwegs versperrten junge Leute dem Wagen mit einem über die Straße gebundenen Seil die Weiterfahrt. Ein Schluck aus der Flasche oder ein Lösegeld genügte, um den Weg freizumachen. Der Kistenwagen wurde auf dem Hof des Bräutigams freudig in Empfang genommen. Bewundernde Rufe galten all den schönen Dingen, die vom Wagen geladen wurden.

Kranzbinden

Das Tannengrün wurde aus dem Wald geholt. Die Jugend war eifrig dabei. Die Tür des Hochzeitshauses wurde abgemessen und dann der Kranz gebunden. Immer wieder musste der Staub aus den Kehlen gespült werden, bis der Kranz fertig war.

Am Vorabend der Hochzeit wurde das schöne Gebinde mit Gesang zum Haus des Bräutigams getragen. Wie schon beim Binden musste immer wieder nachgemessen werden, ob auch alles in Länge und Breite passte. Zum Schluss prangte der Kranz mit bunten Papierrosen und Schleifen am Haus.

Dann kamen die Brautleute dazu. Es wurde gesungen, getrunken, getanzt und geredet. Zum Schluss musste noch einem alten katholischen Brauch entsprochen werden: die Braut durfte vor der kirchlichen Trauung nicht unter dem selben Dach wie der Bräutigam schlafen. Würdige Nachbarinnen geleiteten sie in das Haus eines Verwandten oder Nachbarn.

Hochzeitstag

Auf dem Hochzeitshofe waren schon seit vielen Tagen die Vorbereitungen getroffen worden. Die Nachbarn brachten Schinken, Butter, Eier und Milch. Junge Leute aus der Nachbarschaft säuberten Diele und Ställe. In der Küche und auf der Diele wurden lange Tische und Bänke aufgestellt. Die Frauen sammelten auf den Nachbarhöfen Teller, Töpfe und sonstiges Geschirr, das nach der Hochzeit wieder zurückgebracht wurde.

Am Hochzeitsmorgen wurde die Braut geschmückt. Sie trug ein Kleid aus schwarzer Seide, einen langen weißen Schleier und einen Myrtenkranz. Der Brautstrauß war aus roten oder weißen Rosen. Schließlich fuhr die geschmückte Kutsche zur Kirche.

Die Rückfahrt wurde unmittelbar nach der kirchlichen Trauung angetreten. Lebhaft erklang der Peitschenknall und ab und zu kam es vor, dass dabei der Kutscher die Peitsche verlor. Erst ein Trinkgeld des jungen Paares ließ sie wieder auffinden. Auf dem Hof wurde zur Begrüßung der Brautspruch von einem jungen Mädchen aufgesagt.

O seid mit Tränen hoher Freude
laut begrüßet junges Paar,
denn zum ew'gen Bunde weihte euch
heut' die Stunde am Altar.

Heiter kommt ihr angegangen,
fröhlich tretet hier nun ein,
treu euch künftig anzuhangen,
um die euren zu erfreuen.

Und so tret' ich euch entgegen
in dem neuen Heimathaus,
möge stets auf euren Wegen
Glück euch blühen ein und aus.

Auch eure Eltern sollt ihr lieben,
sie nie in Wort und Tat betrüben,
ihnen beisteh'n in der Not
ja, sogar bis in den Tod.

Nun müsst ihr nicht denken,
dass alle Tage so wie heut die Gläser klingen.
Denn nach den frohen Hochzeitstagen
kommen die ersten Ehestandsfragen.

Und so nehmt denn aus meiner Hand
dies Gläschen mit dem roten Band.
"Prost Braut" - "Prost Bräutigam!"
Und so tretet zur Tür herein,
Gott der Herr möge euch Führer sein.

In der Hand hielt sie ein Tablett mit zwei Weingläsern, die mit rotem Band geschmückt waren. Danach geleitete man das Brautpaar an ihren Ehrenplatz an der großen Tafel auf der geschmückten "grouten Dähle".

Das Festessen ließ nicht lange auf sich warten. Aus den Schinken, der Butter und den fetten Hennen hatten Köche und Nachbarn ein leckeres Essen zubereitet. Zum Auftakt gab es Hühnersuppe mit viel Fleisch. Berge von gekochtem Schinken wurden aufgetragen. "Dicken Reis" mit Korinthen und Zuckerzimt bildete den Abschluss. Zwischen den einzelnen Gängen zogen mit Musik Köche und Gefolge durch die Tischreihen. Dabei sangen sie:

Dat gaiht wall för denn Kock,
mit sienen schmärgen Rock,
denn angebrannten Riesebräi,
dai daiht uß wall tau näi.

Beim zweiten Durchgang dieser "Karawane" wurde für die Musik gesammelt. Sie sangen:

Dau'n dick Stück drupp,
dau'n dick Stück drupp,
use Vader daiht nen dicken Daler drupp.

Alle Gäste gaben ein gutes Trinkgeld.

Nachdem sich die Gesellschaft die Füße vertreten hatte, fand man sich an der gedeckten Kaffeetafel wieder ein. Zum Abendessen saß man ein drittes Mal auf der Diele. Danach wurde die Diele geräumt und der große Tanz konnte beginnen. Natürlich gehörte der erste Walzer dem Brautpaar. Der nächste Nachbar hatte sich den großen bunten Reisigbesen vom Kistenwagen geholt. Er fegte fein säuberlich vor dem tanzenden Paar her, um alles aus dem Weg zu räumen, was hinderlich sein könnte. Dies war eine alte nette Geste nachbarlicher Hilfe. Um Mitternacht legte die Braut den Schleier ab und alle Gäste konnten mit ihr tanzen. Bis in die frühen Morgenstunden wurde gefeiert.

Hahnenschlachten

Der Hahn, den die Braut auf dem Kistenwagen mitgebracht hatte, war Objekt des rauen Spaßes. Dieser Brauch ging auf heidnische Zeiten zurück. Die jungen Hochzeitsgäste versuchten, den Hahn bis zum Morgen nach der Hochzeit zu verstecken. Gelang Ihnen dies, dann gaben sie ihn nach Zahlung einer Ablösesumme der Braut zurück.

Am Morgen nach der Hochzeit taucht der Hahn dann plötzlich wieder auf. Einer hielt eine Laudatio auf den stolzen Vogel. Die Braut habe ihn gut gefüttert und für seine Hühner sei er ein braver Hahn gewesen. Zwischendurch kreiste die Schnapsflasche und selbst der Hahn erhielt seinen Anteil. Wenn er auf den Boden gesetzt wurde, ergriff er die Flucht.

Die Burschen hielten dem Hahn die Sünden aus der Jugendzeit des Bräutigams vor. Der Hahn wurde zur Strafe zum Tode verurteilt. Nach dem Schlachten kam der Hahn an die Leiter. Zwischendurch wurde etwas für die durstigen Kehlen getan, bis das letzte Fass leer war. Mit einem kräftigen Mittagessen endete die große Bauernhochzeit.

Beitrag von Maria Wenningmann aus dem Buch "1150 Jahre Groß & Klein Fullen".

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