Benners Madonna

"25 Nonnen verließen am 18. März 1812 des Morgens um 9 Uhr das Kloster." Mit dieser lapidar klingenden Feststellung umschreibt Bürgermeister Augustin Bödiker in seinen Aufzeichnungen die letztlich auf Befehl Napoleons verfügte Auflösung des Klarissenklosters in Haselünne (Staatsarchiv Osnabrück Rep. 250 Ling.).

Die Haselünner Klarissen kamen ursprünglich aus Oldenzaal in den Niederlanden, wohin die Verbindung nie ganz abgerissen ist. Noch bis 1812 machte man seine Klosteraufzeichnungen in holländischer Sprache. Über Vreden in Westfalen, wo die räumlichen Möglichkeiten begrenzt waren, kam man mit neun Schwestern 1652 ins Emsland. Trotz aller Kriegswirren, Krankheiten und finanziellen Belastungen gaben die Schwestern nie auf. Sie versorgten sich durch "Kostjuffern", Mädchen, die in einem kleinen Internat untergebracht waren und von ihnen unterrichtet wurden; sie bauten mit eigener Hand ihre Klosterbleibe neu auf; sie machten Bittgänge, die sie bis nach Holland führten; sie fertigten Handarbeiten an; sie erklärten sich sogar bereit, eine öffentliche Schule ihrem mehr kontemplativen Orden anzugliedern, um der endgültigen Auflösung zu begegnen.

Und so blieb denn auch das Kloster bestehen, solange der neue Landesherr, der Herzog von Arenberg, seine Hand darüber halten konnte. Doch als Napoleon 1810 das Emsland dem französischen Mutterland einverleibte, war alles umsonst gewesen: Das Kloster wurde 1812 aufgelöst, die Schwestern mussten sich privat eine Unterkunft suchen.

Damals, man weiß nicht genauer wann, sicher aber nicht vor 1812, kamen zwei der Schwestern nach Groß Fullen. Sie stammten vom Hof Benner, zu dieser Zeit noch Berner genannt, und waren Tante und Nichte. Sie sind geblieben, bis wieder geordnete Verhältnisse entstanden waren, man weiß nicht genau, wann es war. Zwischenzeitlich haben sie sich, wie noch in Groß Fullen bekannt ist, der Kirchengemeinde zur Verfügung gestellt. Die jüngere, Schwester Maria, hat den Orgeldienst in der Kapelle versehen und damit eine familiäre Tradition begründet: Viele Jahrzehnte blieb fortan der Orgeldienst in der Familie Benner-Stubbe, die auch bis nach dem zweiten Weltkrieg auf der Orgelempore einen Platz reserviert bekam. Die andere half in der Seelsorge. Beide standen in hohem Ansehen.

Als Dank für die Aufnahme in der Zeit der Not ließen die Schwestern auf dem Hof Benner zwei barocke Marienbilder und eine, vielleicht schon mittelalterliche Marienstatue (Maria mit Kind) zurück, die seit dieser Zeit vom jeweiligen Senior der Familie besonders gehütet wird. Es handelt sich um eine gut 40 cm hohe, aus Holz gefertigte Vollplastik, die in den 40er Jahren vom Meppener Kunstmaler Brunstein restauriert worden ist und bis heute auf dem Hof in einer Art Stele einen Ehrenplatz hat. Sie ist ungewöhnlich gut erhalten, ohne die geringste Beschädigung. Zepter und Krone scheinen ergänzt zu sein, abnehmbare kleine Kronen für die Gottesmutter und das Kind sind wohl aus späterer Zeit.

Für die Gesamtstatue sind reich verzierte und - wie berichtet wird - von den Schwestern handgestickte farbige Umhänge vorhanden: für jedes der wichtigen Marienfeste ein farblich passender, mit Silberfäden und kleinen Perlen verzierter Mantel, der an diesen Tagen die Statue geschmückt haben wird.

Doch die Bennersche Madonna ist niemals nur Dekoration gewesen und nur deswegen auf dem Hof in Ehren gehalten worden. Sie hat mit der Krebssalbe zu tun, die in bestimmten Fällen Krebsleidenden helfen kann. Über die genauen Zusammenhänge möchte man verständlicherweise nicht sprechen, doch aus der Geschichte der Klarissen (Sr. Maria Mercedes OSU, Die Klarissen in Haselünne von 1652 bis 1854) lässt sich zumindest dieses herauslesen: Das Rezept für die Krebssalbe kann identisch sein mit dem, das die Haselünner Apothekerstochter Brakel an die Klarissen verkauft hat und das von den Schwestern auf ihren Bittgängen mitgenommen wurde und besonders in den Niederlanden begehrt war.

Benners Madonna ist nicht nur ein Relikt aus vergangenen Zeiten, auch nicht nur ein in der Tradition stehendes Familienerbstück, das man in Ehren hält, weil frühere Generationen es getan haben, sondern es ist heute noch für manchen echte Hilfe in kranken Tagen.


Aus den Emsland-Veröffentlichungen von Eugen Kotte.

Zurück zur Sagen und Brauchtum-Hauptseite

Zurück zur Auswahlseite